Partner in Nord und Süd arbeiten zusammen - SAO PAULO

Die regionale Caritas in Brasilien hat im Bundesstaat Sao Paulo eine Müllrecyclinganlage aufgebaut, die mehreren hundert Müllsammlerfamilien einen gerechteren Lohn und eine soziale, psychische und rechtliche Beratung ermöglicht. Auf dem Gelände ist in Zusammenarbeit mit Caritas international eine Ökostation entstanden, die als Informationszentrum dient. Das Solar-Modellhaus, ausgestattet mit Regenwasserzisterne und Schilfkläranlage, wurde in dieser Ökostation errichtet.

In Brasilien sind Tausende Quadratkilometer Boden in den Händen einiger weniger Großgrundbesitzer. Viele dieser Flächen liegen brach, während zahllose Menschen das Land verlassen mußten und in Armut am Rande der Städte leben. Durch die Ansiedlung auf diesen Flächen hat die Landlosenbewegung in Brasilien (MST) Hunderttausenden Familien eine Existenzgrundlage geschaffen. In einer eigenen Ausbildungsstätte in der Nähe von Sao Paulo wird Kindern und Erwachsenen das notwendige Wissen für die sachgerechte und nachhaltige Nutzung des Landes vermittelt. In diesem Zusammenhang hat die MST das Modellhaus in der Ökostation gebaut. Hier zeigen engagierte Menschen, wie Solarstrom die Stromerzeugung mit umweltschädlichen und teuren Dieselgeneratoren ersetzen kann.

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Das Land

Brasilien ist ein Land krasser Gegensätze: Massenhafte Armut und zunehmender Reichtum in immer weniger Händen prägen das Bild des heutigen Brasilien. Mehrere 10 Millionen Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze und haben kaum Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Trotz des Wahlsieges von Präsident Lula ist das Land noch weit entfernt von einer durchgreifenden Landreform und die Strategen der globalisierten Märkte bestimmen immer noch die Entwicklung.

Eine Politik, die einseitig auf die Produktion für den Weltmarkt gesetzt und die Konzentration des Landbesitzes in der Hand weniger Großgrundbesitzer gefördert hat, führte im Verlauf der letzten Jahrzehnte dazu, daß eine große Zahl von Kleinbauern ihr Land verlassen mußte. Für die Mehrzahl der Kleinbauern war dies der Sturz in tiefe Armut. Statt Nahrungsmittel für die Menschen in Brasilien werden heute auf diesem Land Produkte für den Weltmarkt angebaut oder das Land liegt brach.

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Die Landlosenbewegung

Eine große Zahl von Landlosen haben sich organisiert und 1984 die Landlosenbewegung MST (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra) gegründet. Das MST organisiert die kollektive Besetzung dieser brach liegenden Ländereien, die dann gemäß der brasilianischen Verfassung - da sie ihre soziale Funktion nicht erfüllen - enteignet und an die Bauernfamilien verteilt werden. Dies ist kein einfacher, aber in der fast zwanzigjährigen Geschichte der Bewegung ein äußerst erfolgreicher Weg, der hunderttausenden von Familien eine Existenzgrundlage geschaffen und mehrere Millionen Hektar Land der Agrarproduktion zurückgegeben hat.

Für diesen Kampf erhielt die Landlosenbewegung 1991 den Alternativen Nobelpreis.

Heute ist sie mit ca. 5 Millionen organisierten Familien eine starke gesellschaftliche Kraft. Sie streitet für eine tiefgreifende Landreform und eine gerechtere Verteilung der gesellschaftlichen Reichtümer und ist aufgrund ihrer Größe und ihrer politischen Artikulation die wichtigste soziale Bewegung in Brasilien, wenn nicht in ganz Lateinamerika.

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Ausbildung und Perspektiven

In einem von der EU-kofinanziertem Projekt, das von der Caritas international und der Landlosenbewegung durchgeführt wird, entsteht derzeit in Guararema im Bundesstaat Sao Paulo die Bundesschule der Bewegung. Dort werden neben Agrartechnikern für den ökologischen Landbau und Leitern für die landwirtschaftlichen Genossenschaften vor allem Lehrer für die Agrarreformsiedlungen ausgebildet. In diesen Siedlungen wollen viele "konventionelle" Lehrer nicht unterrichten, zu abgelegen und primitiv sind die Lager und Schulen. Doch auch das MST hat ein Eigeninteresse: Die brasilianischen Schulbücher erklären die brasilianische Realität aus der Perspektive der Reichen, der Regierenden und Mächtigen, während die Landlosenbewegung eher der Pädagogik Paulo Freires nahe steht, die Geschichte und Realität aus der Perspekti-ve der Unterdrückten beleuchtet.

Die Schule der Landlosen, derer ohne Land, der "Sem-terra", ist eine besondere Schule - eine kollektive, gemeinschaftliche Schule. Sie wird von Brigaden freiwilliger Helfer aus den Lagern der Landbesetzer und der neu angesiedelten Bauern selber gebaut. Und sie wird aus "terra", aus Erde gebaut - aus einem ökologischen Baustoff, der mit wenig Zement angereichert wird und als preiswerter und gesunder Baustoff fast überall zur Verfügung steht.

Der Bau der Schule ist selber eine Schule: Die Brigadisten lernen hier mit Lehm zu bauen, sie lernen zu planen, Pläne zu lesen und zu mauern, Stromkabel zu verlegen, Wasserinstallationen einzubauen und vieles mehr.

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Arbeitsplätze und Lebensraum

In zehn Kilometer Entfernung von der Baustelle der Bundesschule hat die Regionalcaritas Sao Paulo eine Müllrecyclinganlage aufgebaut. Mehrere hundert Müllsammlerfamilien liefern den Rohstoff, der hier weiterverarbeitet wird. Die Müllsammlerfamilien erhalten einen halbwegs gerechten Lohn, der ihnen ein ausreichendes Einkommen sichert. Durch Begleitprogramme erhalten sie psychische und rechtliche Beratung, werden in ihren Drogenabhängigkeiten therapiert, die Kinder gehen wieder zur Schule und viele Familien leben wieder in einem festen Wohnsitz.

Da der Großraum Sao Paulo mit seinen rund 25 Millionen Einwohnern regelrecht am Müll erstickt (die Deponieplätze sind erschöpft), muß auch das Müllaufkommen reduziert werden. In Zusammenarbeit mit der Caritas international und mit einer Finanzierung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung entstand daher eine erste Ökostation auf dem Gelände der Müllrecyclinganlage. Heute können dort parallel mehrere Busse voll SchülerInnen, Kindergartengruppen und interessierter Menschen empfangen und über die Grundlagen der Ökologie bis hin zum Energiesparen und Müllvermeiden informiert werden.

Die beiden Projekte - Bundesschule und Müllrecycling/Ökostation - arbeiten zusammen und unterstützen sich gegenseitig. So wird auch das Partnerprojekt Solarzwilling hier gemeinsam entwickelt und getragen.

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Der Solarzwilling

Die Landlosenbewegung hat in Eigenleistung auf dem Gelände der Ökostation ein Modellhaus für im Rahmen der Agrarreform angesiedelte Familien gebaut. Dieses Haus ist - wie die Schule - aus Erdzement gebaut. Da viele Agrarreformsiedlungen weitab vom öffentlichen Stromnetz liegen, soll dieses Modellhaus eine Photovoltaikanlage erhalten, die groß genug ist, ausreichend Strom für die Beleuchtung, das Radio und den Kühlschrank zu liefern.

Dies wird die erste Anlage des brasilianischen Solarzwilling sein. Sie wird als kleine Inselanlage mit ein Paar Photovoltaikmodulen, einem Laderegler und wartungsarmen Batterien ausgestattet sein und die Stromversorgung der entsprechendn Geräte in einem Gleichspannungsnetz übernehmen.

Neben dem Baustoff Erdzement und der Photovoltaikanlage ist eine Hauswasserzisterne für das von den Dachflächen aufgefangene Regenwasser und eine Solaranlage zur Warmwassererwärmung geplant.

Schon heute besucht jede Brigade die Öko-station, die beim Bau der Bundesschule hilft. Zukünftig werden sie auch das Modellhaus besuchen und die Pläne dazu erhalten um es später nachbauen können. Ziel ist es, die Photovoltaikanlage fest im Hauskonzept zu verankern und möglichst viele dieser Häuser damit auszustatten.

Genutzt wird das Häuschen auf der Ökostation durch PraktikanntInnen, die dort oder in der Umgebung mit den Müllsammlerfamilien arbeiten. So können Erfahrungen gesammelt werden, wie sich die Photovoltaikanlage im Inselbetrieb bewährt, welche Speicherkapazitäten notwendig sind und welche kostengünstigen Geräte besonders stromsparend sind.

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